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Sonntag, 22. April 2012

In Sepia


Es ist jetzt zwei Monate her. Ob schon zwei Monate oder erst zwei Monate, ist dann eine
Sache der Philosophie. Mein Gefühl sagt mir, dass es erst zwei Monate sind. Erst zwei Monate
in dem Verhältnis dazu, wie ich empfinde. Es scheint mir, als sei die Person, auf die ich
zurückblicke, nicht ich. Vielleicht schon ich aber eine Unterart meiner selbst, denn ich
kann nicht verstehen wie dieses kleine Ich ein Teil von mir sein soll. Es ist schrecklich
naiv, und wäre dieses Ich von mit, meine Freundin, würde ich sie an den Schultern packen und
so lange hin und her schütteln, bis ihre Gedanken wieder am richtigen Platz in ihrem Gehirn
sind. Irgendwie hat das bei mir keiner getan. Dann habe ich es geschafft, es selbst zu
verstehen. Nicht sanft, nein die Wahrheit hat mich aus meinem Wolkenschloss geschmissen, ohne
auch nur zu fragen. Die Landung war dann auch schon gar nicht mehr schlimm. Ich blieb
einfach im weichen Gras liegen und lies mich überwuchern. Das war gut. Ich hatte meiner
Ruhe, denn niemand konnte mich finden. Ich hatte mich ja nie auf den Nach-Hause-Weg gemacht.

Vor zwei Monaten war dieses Mädchen noch glücklich gewesen. Sie war verliebt in diesen einen
Jungen. Er hatte Charme, sah gut aus. Und diese Augen. Immer wenn sie an ihn dachte, musste
sie lächeln. Er sang in einer Band. Das machte ihn nur noch faszinierender. Und dann eines
Tages stand sein Name im blinkenden Chatfenster bei Facebook. Ein wunderschöner Tag. Seine
Band würde ein Konzert spielen, und er wollte sie einladen. Natürlich ging sie hin. Es war
toll. Nach dem Konzert war er nur bei ihr. Er umarmte sie. Lachte. Sie freute sich ihres
Lebens. Dann tauschten sie ihre Nummern aus. Immer wieder schrieben sie.
Eine Woche später war Mädelsabend. Eigentlich. Aber Anne hatte Josh auch mitgebracht. Also
fragte sie Tim, ob er mitwolle. Er wollte gern. Die Gruppe wuchs zusammen. Auch die anderen
fanden ihn toll. "Er ist so lustig. Passt hier super rein" So war das auch. Tim saß den
ganzen Abend neben ihr und Sara. Sara war wunderschön. Klasse Körper, lange Wimpern.
Typisches Mädchen. Einfach perfekt. Ich weiß nicht, ob sie es nicht sehen wollte, oder ob
sie tatsächlich so blind vor Verliebtheit war, dass sie es nicht bemerkt hat. Irgendwas war
zwischen Tim und Sara. Vom ersten Augenblick an. Es war doch so offensichtlich.
Das Mädchen lebte im Gedanken, dass alles ihre Träume war werden würden. Fast jeden Tag traf
sie Tim. Zwar waren meist ihre Freundinnen dabei, aber für sie war es, als gäbe es nur sie
und ihn. Die beiden wurden Freunde. Redeten über alles. Lachten. Und sie bemerkte dieses
Blick, den er aufsetzte, wenn Sara kam einfach nicht. Denn für sie war es mehr. Es gab da
noch die Liebe, die diese Freundschaft überschattete. Davon ahnte Tim nichts.
Dann kam dieser Tag vor zwei Monaten. Zeltfete in irgendeinem anderen Dörflein in der
Region. Natürlich war Tim auch da. Dann sah dieses Mädchen, wie ihr bester Freund, den sie
mehr liebte als alles andere, ihre Freundin küsste. Dann lachten sie. Er flüsterte ihr etwas
ins Ohr. Sara bekam alles, was sich das Mädchen wünschte. Auf einmal schien es ihr, als sei
die ganze Welt ein bisschen weiter weggerückt-aus Respekt, um ihr Ruhe zu lassen.

Tim und Sara wurden ein Paar.
Das Mädchen litt.

Irgendwann habe ich mich damit abgefunden. Tim ist mein bester Freund, auch, wenn wir
Funkstille hatten. Er hat sich Sorgen um mich gemacht. Da habe ich ihm alles erzählt.

Ich verstehe immer noch nicht, wie naiv ich war. Warum ich es nicht gemerkt habe. Ich war zu
sehr in meinen mit Schokoeis beschmierten Zuckerwatteträumen zu leben, anstatt ein Auge auf
die Wirklichkeit zu werfen. Rückblickend wirkt das alles so weit weg, dass meine
Erinnerungen an diese Momente immer in Sepia oder Schwarz-Weiß ablaufen. Habe ich mich
wirklich so verändert? Wie kann es sein, dass sich die Liebe von einem flauschigen Hundebaby
plötzlich in ein riesiges Montrum verwandelt, dass mich auffressen will?
Sowas passiert.
Aber ich verstehe trotzdem nicht, wie ich es geschafft habe. Würde ich die Geschichte des
Mädchens aufschreiben, würde sie sich wahrscheinlich abkapseln von ihren Freunden. Oder sich
umbringen.
Aber ich war stark. Die Liebe scheint doch nicht so schlecht zu sein, wie sie mir erscheint,
denn ohne sie hätte ich es nie geschafft aufzustehen. Liebe ist nicht nur wie die Liebe
zwischen Mann und Frau. Ich denke, die brennt in jedem von uns und ist das, was uns
Menschlichkeit gibt. Sie macht uns stark, auch wenn wir alleine sind. Sie ist etwa Gutes,
dass sich nie von uns wendet. Wie ein Schutzengel. Wenn man dann jemanden findet, den man
liebt, ist es als würde diese Liebe ein bisschen aus und herausklettern, um dem anderen zu
zeigen, wie wichtig er ist.
Liebe ist das, was uns antreibt, und das, was das Mädchen gerettet hat...

Noch dazu: Wie alle Texte dieses Labels ist alles frei erfunden, und hat nichts mit der Realität zu tun. Nur so nebenbei :)

5 Kommentare:

  1. Wow! Dieser Text ist sehr, sehr rührend! Es ist so toll, wie ehrlich du schreibst und wie du deine Worte formuliert hast. Die Geschichte geht einem sofort ans Herz und wir können die Situation auch sehr gut nachempfinden, da wir auch schon etwas ganz, ganz ähnliches erlebt haben! Es tut uns so unglaublich leid, was da bei dir trauriges passiert ist & wie verletzend das war. Es ist bewundernswert, wie du das verarbeitet hast und besonders dein letzter Satz ist wunderschön und trifft es ganz genau!♥

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  2. Inken,das hast du geschrieben ?
    Ich bin fix und fertig, dass ist doch garnicht dein Schreibstil. Es ist so anders. Aber so unendlich gut. Dieses " wissende" in dem Text. einfach toll!!

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  3. Ich kann Fanny und Annie nur zustimmen, der Text ist so rührend...und du schreibst wirklich richtig gut!

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  4. Die Geschichte ist wunderschön:)).. Sie berührt mich. Es ist ein richtig gutes Gefühl;)

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  5. Das ist wunderwunderwunderwunderschön *schluchz* Besonders der letzte Abschnitt hat es mir absolut angetan ... Ich liebe sowas!
    Nur doof finde ich die Absätze, die stören den Lesefluss :D Aber dafür kannst du ja nichts :/

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